Erkennen Sie die Konfliktursache?

Ein Team berichtete mir, sie seien in einer Krise – die Zusammenarbeit sei an einem Tiefpunkt. Schnell zeigte sich in der Supervisionssitzung, worum es ging: Zwei Mitarbeitende hatten einen ernsten Konflikt miteinander.

Der Konflikt lässt sich schnell zusammenfassen:

Monika sagte: „Stefans Umgang mit Nähe und Distanz ist unreflektiert und höchst unprofessionell. So geht es nicht weiter!“
Stefan antwortete: „Du verstehst mich und meine Art überhaupt nicht; ohne Spontanität und Authentizität ist in unserem Job gute Arbeit nicht möglich“.

Nun, was ist das für ein Konflikt? Zuerst einige Ideen, die den Kern des Konflikts nicht erfassen:

Erste Annahme: Es ist ein persönlicher Konflikt – die beiden mögen sich offensichtlich einfach nicht.

Zweite Annahme: Es geht hier um unterschiedliche Interessen – M. möchte dies, St. möchte etwas anderes.

Dritte Annahme: Es ist ein strukturelles Problem, welches auf Organisationebene geklärt werden muss: Es gibt doch klare Richtlinien in der Organisation, welche dieses Thema klären.

Kann sein, dass diese drei Annahmen teilweise Stimmen. Aber der Kern des Konflikts ist ein anderer: Es handelt sich um einen Wertekonflikt! Es geht um die Frage, welche Werte für Stefan und Monika in Bezug auf die Gestaltung der Beziehungen zu ihren KlientInnen handlungsleitend sind.

In diesem Konflikt treffen Prinzipien und Grundsätze aufeinander, die unvereinbar scheinen. Monika: «Es ist zwingend, dass du deine Handlungen und Interaktion mit der Klientel reflektierst und fachlich begründest!» Stefan: «Ich muss für eine gute Beziehungsgestaltung als Mensch glaubwürdig und spürbar sein – und das geht nicht, wenn wir die ganze Zeit diese kalte, intellektuelle Distanz einnehmen.»

Aber was ist das Problem, welches den Konflikt so eskalieren liess? Monika und Stefan sind davon ausgegangen, dass dieser Konflikt gelöst werden kann. Und das ist ein Irrtum: Denn Wertekonflikte können nicht gelöst werden! Es gibt hier kein richtig und falsch, deshalb können Wertekonflikte nur gebändigt werden.

Um den Konflikt zu bändigen, muss er deeskaliert werden: Es muss ein Verständnis der anderen Position hergestellt werden und es kann eine Annäherung der Werte stattfinden – aber es kann niemals das eine oder das andere als richtig festgehalten werden. Es geht hier um ethische Fragen, die immer wieder neu zu verhandeln sind, um eine Balance herzustellen, die für beide Parteien akzeptabel ist. 

Mit Wertekonflikten ist nicht zu spassen, denn wie alle Konflikte können sie so eskalieren, dass es am Ende persönlich wird und «um alles oder nichts» geht. Es kann sogar zu Kündigungen kommen, wenn Mitarbeitende wegen Wertekonflikten der Meinung sind, dass sie mit «einem/einer solchen Kollegen/ Kollegin» nicht weiter arbeiten könne.

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Wertkonflikte transparent zu machen und durch gezielte Verständnis-Dialoge zu bändigen, ist eine wichtige Funktion der Teamentwicklung und der Teamsupervision.