Konstruktivismus: Eine sehr nützliche Theorie für bessere Kommunikation                        

Wer mich ein wenig kennt, kennt vermutlich meine Überzeugung, dass wir einander besser verstehen, wenn wir von folgendem ausgehen: Es gibt keine unbestrittene Realität. Es gibt nur eine subjektive Wahrheit, die vom Individuum ganz persönlich geschaffen, also konstruiert wird.

Um das zu illustrieren, hier eine wunderbare kleine Geschichte des Autors David Forster Wallace aus seiner grossartigen Rede «Das hier ist Wasser» («This is water»). *

Sitzen zwei Männer in einer Bar irgendwo in der Wildnis von Alaska. Der eine ist religiös, der andere Atheist, und die beiden diskutieren über die Existenz Gottes mit dieser eigentümlichen Beharrlichkeit, die sich nach dem, sagen wir mal, vierten Bier einstellt. Sagt der Atheist: »Pass auf, es ist ja nicht so, dass ich keine guten Gründe hätte, nicht an Gott zu glauben. Es ist nämlich nicht so, dass ich noch nie mit Gott oder Gebeten experimentiert hätte. Letzten Monat erst bin ich weit weg vom Camp in so einen fürchterlichen Schneesturm geraten, ich konnte nichts mehr sehen, hab mich total verirrt, zehn Grad unter null, und da hab ich’s gemacht, ich hab’s probiert: Ich bin im Schnee auf die Knie und hab geschrien: ›Gott, wenn es Dich gibt, ich stecke in diesem Schneesturm fest und sterbe, wenn Du mir nicht hilfst!‹«

Der religiöse Mann in der Bar schaut den Atheisten ganz verdutzt an: »Na, dann musst Du jetzt doch an ihn glauben«, sagt er. »Schliesslich sitzt Du quicklebendig hier.« Der Atheist verdreht die Augen, als wäre der religiöse Typ der letzte Depp: »Quatsch, Mann, da sind bloss zufällig ein paar Eskimos vorbeigekommen und haben mir den Weg zurück ins Camp gezeigt.«

 

Und, wer hat recht? Sie wissen es vermutlich schon – je nachdem, ob Sie Atheist*in sind oder gläubig. Vielleicht haben Sie auch eine dritte Erklärung neben “Gott” und “Zufall”. Wie auch immer, wir tun gut daran, zu erkennen, dass es bloss Varianten sind, wenn wir von Wirklichkeit reden. Kommunikation verschlechtert sich und Konflikte eskalieren, wenn wir bei der Überzeugung bleiben, dass unsere Wirklichkeit wahr ist – und die andere nicht. Kommunikation ist umso erfolgreicher, je besser wir versuchen zu verstehen, was die (subjektive) Realität unseres Gegenübers ist.


Supervision und Coaching dienen nicht zuletzt dazu, die verschiedenen Varianten von Wahrheit zu erkennen, auszusprechen und eine intersubjektive Sichtweise herzustellen, aus der gemeinsame Handlungsentwürfe entstehen können.

 

*Der Spass an der Sache – alle Essays. David Foster Wallace, Kiepenheurer und Witsch, Köln