Vertrauen in der Krise     

In vielen Organisationen, mit denen ich arbeite, wurde während der Corona-Krise das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Führung auf die Probe gestellt. Fragen stehen im Raum:

  • “Wurde in der Krise richtig entschieden”?
  • “Hat meine Chefin / mein Chef alles im Griff”?
  • “Wurde ich fair behandelt?”
  • “Wurden zusätzliche Leistungen honoriert?”

Aber auch von Seiten der Führung gibt es Unsicherheiten:

  • “Setzen sich alle ein für die gemeinsame Aufgabe”?
  • “Zeigen alle genug Eigeninitiative und Disziplin bei der selbstständigen Arbeit”?
  • “Werden Entscheidungen akzeptiert und umgesetzt”?

Der Grund für diese neu auftretende Unsicherheit hat mit einem bekannten Mechanismus zu tun: In Krisen verändert sich die Dynamik in Gruppen; sowohl Vorgesetzte wie auch Mitarbeitende merken instinktiv, dass es jetzt eine starke Führung braucht. Schnelle Entscheide sind gefragt. “Stark” und “schnell” heisst natürlich in der Regel auch nicht partizipativ, sondern direktiv. So wurde seit März der direktive Führungsstil auch in Organisationen, die sonst partizipativ arbeiten, plötzlich zur Norm.

Was hat das nun mit Vertrauen zu tun? Beziehungen in Organisation bauen auf drei Säulen des Vertrauens: Fähigkeit, Verlässlichkeit und geteilte Werte (siehe Monatsgedanken “Vertrauen in der Zusammenarbeit”). Diese drei Säulen lassen sich eher mittel- und langfristig stärken. Hier befasse ich mich jedoch mit Vertrauen in Zeiten einer Krise – wenn alles schnell gehen muss, vor allem das Entscheiden. Und wenn es schnell gehen muss, können eher auch mal Fehler passieren. Eine falsche Entscheidung, die direktiv gefällt wurde, untergräbt natürlich das Vertrauen in die Fähigkeiten der Führung. Auch mehren sich Situationen, in denen sich Mitarbeitende von Entscheidungen benachteiligt fühlen – ein Gefühl, das deutlich schwächer wäre, wenn Mitarbeitende wie vor der Krise stärker mit einbezogen gewesen wären.

Nun, was können Führungskräfte tun, damit das Vertrauen in der Krise nicht schwindet, sondern wieder gestärkt wird? Einfach immer richtig entscheiden? Ja, natürlich…. aber realistischerweise zählt aus meiner Sicht vor allem etwas: Kommunikation und Transparenz.

Die Quantität der Führungskommunikation muss sehr hoch sein. Regelmässige Information (wenn nötig täglich!) schafft eine erste Vertrauensbasis. Regelmässiger Kontakt ist eine Zweite: Lassen Sie die Planung, die administrativen und strategischen Aufgaben auch mal liegen und sorgen Sie für Begegnung!

Aber auch die Qualität der Kommunikation muss jetzt stimmen. Wie gesagt geht es hier besonders um Klarheit und Entschiedenheit. Es gilt: “Keine wichtige Diskussion ohne Beschluss” – selbst, wenn der nur lautet «das werden wir morgen anschauen». Aber neben dieser Klarheit ist es gerade jetzt für Führungskräfte auch wichtig, allfällige Unsicherheit anzusprechen, über Abwägungen und eigene Ambivalenz zu reden, die Hintergründe von Entscheidungen transparent zu machen und – das vor allem – eigene Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen anzusprechen. So sind allfällige falsche Entscheide für die Mitarbeitenden mindestens nachvollziehbar, vielleicht sogar akzeptierbar und untergraben somit weniger das Vertrauen.

Und die Mitarbeitenden? Was können die tun, damit ihr Vertrauen während der Krise nicht schwindet, sondern gestärkt wird? Auch hier: Kommunikation und Transparenz – aber in Form von Fragen: Fragen nach Gründen, nach Plänen und nach Möglichkeiten. Oder, falls nötig, auch mal Kommunikation in Form von klarer Kritik.


Vielleicht haben Sie bald ein wenig mehr Luft: Nutzen Sie die Zeit, um Vertrauen wieder aufzubauen. Mit ein paar gut formulierten, kritischen, konkreten Fragen oder mit ein paar ernsthaften Antworten auf Fragen, die Ihnen gestellt werden.